Projekt: Azubi-Wohnbereich
Zusammen mit Zentrumsleiterin Melanie Micka hatten die Wohngruppen- und Praxisanleiterinnen Mandy Hahn und Kristin Lembke die Idee eines Azubi-Wohnbereiches auf Zeit und mit Sicherheitsnetz. Die Altenpflegeschüler sollten ein realistisches Gefühl für die künftigen Aufgaben als Pflegefachkraft und deren Vielfalt erhalten sowie einen echten Eindruck der Verantwortung, die mit diesen einhergeht. Dabei heißt Verantwortung auch Handlungsspielräume und Kompetenzen erkennen und nutzen. „Wir haben uns erhofft, mit dieser Herausforderung die Auszubildenden zu motivieren und hatten durchaus auch Angst, dass es total schief geht und wir womöglich überfordern und dadurch alle demotiviert sind“, erklärt Mandy Hahn rückblickend. Im Vorfeld wurde ein Angehörigenabend eingeplant, um Bewohner und Angehörige über das Vorhaben zu informieren.
Der erste Tag wirkte auf alle Auszubildenden wie der sprichwörtliche Sprung ins kalte Wasser. Die gewohnte Routine, auf welche die Auszubildenden normalerweise durch die anleitenden Fachkräfte und Vorgesetzten zurückgreifen können, war vordergründig nicht da. Jeder musste sich zunächst strukturieren, zu einer gewissen Routine und Souveränität und schlussendlich auch zu einer neuen Rolle finden. Auszubildende aus dem ersten Lehrjahr mussten sich daran gewöhnen, dass ihre Ansprechpartner nun die Auszubildenden aus dem dritten Lehrjahr waren. Von diesen waren Anweisungen zu akzeptieren und anzunehmen, an diese konnten sie sich mit ihren Fragen oder Unsicherheiten wenden und mussten sich auch auf deren Kompetenz verlassen. „Das war zunächst eine ganz schöne Umstellung“, stellt Maria Lächert, Auszubildende der Caritas-Sozialstation Pankow-Süd fest. Mit der Aufgabenübertragung von ihren Azubi-Kollegen war sie nicht immer zufrieden. „Ich hätte mir mehr Gelegenheiten gewünscht, in Begleitung pflegefachliche Aufgaben durchführen zu dürfen. Für uns aus dem ersten Lehrjahr war alles sehr grundpflegelastig. Aber wir waren ein cooles Team, haben zusammen gehalten und über Konflikte gleich geredet. Es war schon eine ganz andere Verantwortung als sonst und ich habe über manche Situation noch lange nachgedacht.“
Die Aufgaben für die Auszubildenden waren vielfältig: Neben der grundpflegerischen und pflegefachlichen Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner begleiteten sie Haus- und Facharztvisiten und legten Maßnahmen fest, besprachen mit den Therapeuten neue Verordnungen sowie den Therapieverlauf, koordinierten Krankenhauseinweisungen und –entlassungen bestellten Pflegehilfsmittel und nahmen Lieferungen
entgegen. Pro Schicht war immer eine Praxisanleiterin anwesend und stand im Hintergrund bereit, um auf Fragen zu antworten oder einzuwirken, wenn die Azubis an ihre Grenzen gerieten und Unterstützung benötigten.
Oliver Hinz, im dritten Lehrjahr im Franz-Jordan-Stift kann sich selbst nach den zwei Wochen viel besser einschätzen. „Ich hatte die Verantwortung, insbesondere für nachgeordnete Kollegen unterschätzt und hätte mich eigentlich für strukturierter und souveräner gehalten. Ich habe erlebt, dass ich für andere in manchen Situationen hektisch wirke, obwohl es sich für mich gar nicht so anfühlt.“ Stolz war er auf Ergebnisse der Pflegequalität: „Herrn H. zum Beispiel lernte ich mit zahlreichen offenen Wundstellen an den Beinen kennen. Nach zwei Wochen sind davon nur noch drei kleine Stellen geblieben, die deutlich am Abheilen sind.“ Damit war ein weiteres der Ziele des Projektes erreicht: Die Auszubildenden erkannten, was sie bereits durch ihr Wissen bewirken können.
Matthias Bauerkamp ist am Ende des dritten Lehrjahres seiner Ausbildung und ebenso lange im Seniorenzentrum St. Konrad tätig. Selbstkritisch reflektiert er die Übertragung von Aufgaben an die Auszubildenden des ersten Lehrjahres. „Ich hatte das Gefühl, dass wir euch für die einfachen grundpflegerischen Tätigkeiten ausgenutzt haben. Wir hätten euch viel mehr begleiten müssen. Euch zeigen, wie man eine große Körperpflege durchführt, einen Verband anlegt oder mit dem Bewohner eine basale Stimulation macht.“ Damit beschreibt er, was im Alltag schnell passieren kann - dass Auszubildende für Hilfsarbeiten ausgenutzt und zu wenig pflegefachlich angeleitet werden. „Deshalb ist es total wichtig, administrative Vorgänge in der Einrichtung zu kennen, Aufgaben sinnvoll aufteilen und an andere weitergeben zu können. Dadurch bringt man Ruhe ins Team, wirkt souverän und vermittelt Sicherheit.“ Sein Fazit: Die Ausbildung beginnt im Arbeitsalltag nach der Ausbildung von neuem.
Zentrumsleiterin Melanie Micka bewertet das Projekt als vollen Erfolg: "Die Auszubildenden hatten vielfältige Aufgaben zu bewältigen und mussten sich einigen Herausforderungen stellen. Sehr aufgefallen ist mir, wie schön und wertschätzend der Umgang mit unseren Seniorinnen und Senioren war. Sie können wirklich stolz darauf sein, dass sie sich als Team so gut gefunden haben, was sie in den beiden Wochen geleistet haben und nun an Erfahrungen für sich mitnehmen können. Im nächsten Jahr sollten wir das unbedingt mit den nächsten Azubis wiederholen."